Landvermessung

»Wollen wir Rast machen?«
»Ist´s noch weit?«
»Nein.«
Ich schaute mich um und sah, was zu sehen war und was zu sehen ich keine Lust hatte, weil ich es so oft schon gesehen hatte: Kiefern und Zäune, Fichten  und Häuschen, Unkräuter und Gras, Fußpfade und Beete, Felder und ein Schornstein...Luft...und es glänzte von Sonne, aber schwarz, Schwärze der Bäume, Grauheit der Erde, bodennahes Grün der Pflanzen, alles ziemlich schwarz. Ein Hund bellte, Fuks bog ins Gebüsch ein.
»Kühler.«
»Gehn wir.«
»Gleich. Man könnte sich ein wenig hinsetzen.«

Er drang etwas tiefer in die Sträucher ein, wo Nischen sich öffneten, Vertiefungen, verdunkelt   von oben verflochtenen Haseln und Fichtenästen, ich tauchte den Blick in das Gewirr von Blättern, Zweigen, Lichtflecken, Verdichtungen, gähnenden Löchern, Verklemmungen, ­Schrägen, Neigungen, Rundungen, weiß der Teufel, in einen fleckigen Raum, der angriff und zurückwich, anschwoll und weiß ich was, ­beiseite drängte, sich auftat... verloren und schweißüberströmt fühlte ich die nackte schwarze Erde - von unten. Dort zwischen den Zweigen steckte etwas - etwas Absonderliches und Fremdes,   wenn auch nur Undeutliches ragte dort...
und dies betrachtete auch mein Kumpan.
»Ein Spatz.«
»Aha.« 1

Das Abgelegene und das Ferne

Es geht hier um das Abgelegene und Ferne. Es geht um das Nächstliegende vor den Augen und um Strategien, sich diesem seltsamen Territorium zu nähern, das sich dort ausbreitet, das sich um den Körper schließt, das der Körper ist, das auch die Augen ist und das, was betrachtet, und das als Bild der Vorstellung sich ausdehnt, sich vereint, zerbricht, sich wider und widerspiegelt, auf einen Punkt zusammenzieht, sich zueinander in Relation setzt und diese ­unmöglich macht.

Es geht um Strategien der Verortung und der Bewusstwerdung der merkwürdigen Möglichkeit, dass da draußen etwas ist, das kein Bild, keine Metapher, kein Verweis, nicht virtuell, nicht medial, nicht digitalisierbar nicht ästhetisch ist. Es geht um »[...]

die Wahrnehmung, dass die Welt ‘dicht’ ist, die Ahnung, wie sehr ein Stein fremd ist, undurchdringbar für uns, und mit welcher Intensität die Natur oder die Landschaft uns verneint. [...] Eine Sekunde lang verstehen wir die Welt nicht mehr: jahrhundertelang haben wir in ihr nur die Bilder und Gestalten gesehen, die wir zuvor in sie hineingelegt hatten, und nun verfügen wir nicht mehr über die Kraft, von diesem Kunstgriff Gebrauch zu machen. Die Welt entgleitet uns: sie wird wieder sie selbst. Die gewohnheitsmäßig maskierten Kulissen werden wieder, was sie wirklich sind. Sie rücken uns fern.« 2

Natürlich ist es eine Frage des Glaubens, ob die Welt, wenn man sie als entfremdet empfindet, wieder sie selbst wird, ob sie tatsächlich das wird, was sie wirklich ist. Innerhalb eines erkenntnistheoretischen Diskurses wird man wahrscheinlich im besten Falle diese Frage offen lassen, oder sie gar nicht erst stellen. Andererseits aber bekommen die Dinge manchmal tatsächlich etwas Fremdes, gewohnte Handlungen und Sehweisen sind  nicht mehr nachvollziehbar, und dieser Zustand hat etwas von einem Herausfallen aus der bewohnbaren Welt. Dabei ist es vielleicht gar nicht so wichtig, wohin man fällt als eher die Tatsache, dass man fällt, dass alle Erklärungsversuche, seien es nun wissenschaftliche, psychologische oder philosophische diesen Zustand nicht mildern.

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